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matt studer

Jakobusbrief 1.5-8 - Feststehen in den Stürmen des Lebens

Aktualisiert: 12. Dez. 2022


Wenn es aber einem von euch an Weisheit fehlt, bitte er Gott darum, und sie wird ihm gegeben werden; denn Gott gibt allen gern und macht dem, der ihn bittet, keine Vorhaltungen. Doch soll der Betreffende seine Bitte in einer Haltung des Vertrauens vorbringen und nicht in der Haltung des Zweiflers; denn wer zweifelt, gleicht einer Meereswoge, die – vom Wind aufgepeitscht – einmal hierhin und dann wieder dorthin getrieben wird. Ein solcher Mensch soll nicht meinen, er werde vom Herrn etwas bekommen, denn er ist in seinem Innersten gespalten, und seine Unbeständigkeit kommt bei allem, was er unternimmt, zum Vorschein.

(Jakobus 1,5-8)



In den vorangegangenen Versen (2-4) schrieb Jakobus über eine paradoxe Freude im Leid. Wir haben gesehen, wie schwer es uns fällt, diese Perspektive einzunehmen. Es gibt eigentlich nur eins. Wir müssen Gott bitten, dass er uns diese Perspektive schenkt. Schon der Genfer Theologe Calvin meinte dazu:

Da unser Verstand und alle unsere Gefühle dem Gedanken, dass wir inmitten von schweren Umständen glücklich sein können, völlig zuwiderlaufen, fordert er [Jakobus] uns hier auf, Gott um Weisheit zu bitten. (Calvin, Kommentar zum Jakobusbrief, meine Übersetzung)

Ein weiser Rat. Manche wenden diese Verse ganz allgemein so an: Wenn wir im Leben knackige Entscheidungen zu treffen haben (soll ich sie heiraten oder doch eine andere?), oder wenn es um unsere Zukunft geht (sollen wir dahin ziehen oder hier bleiben?), dann bitten wir Gott um Weisheit. Das stimmt natürlich. Wir dürfen Gott in allen Lebenslagen um Weisheit bitten und solch schwerwiegende Entscheidungen unbedingt im Gebet vor ihm bewegen. Doch meine ich, dass Jakobus mit 'Weisheit' hier spezifisch diese Weisheit meint, die uns befähigt, gerade in den schwierigen und leidvollen Momenten trotz allem gut und echt zu leben. Es ist eine Weisheit, die uns in den herausfordernden Momenten auf Gott schauen lässt, so dass wir an ihm festhalten, anstatt dass wir ihn anklagen. Ist es nicht so? Wenn wir in der Bredouille stecken, ist der erster Impuls unsere Probleme weg zu beten: 'Lass diesen Kelch wenn möglich an mir vorbeiziehen.' Selten beten wir um Weisheit gerade in diesen herausfordernden Umständen fest verwurzelt stehen zu dürfen - so wie ein Baum, der im Sturm hin- und herwiegt, mit seinen Wurzeln aber fest im Boden verankert bleibt.



Wenn jemand Weitsicht besitzt, dann Gott. Er sieht alles, kennt alles, weiss alles. Unser Blick ist auf die momentane Konstellation und vielleicht ein paar Schachzüge darüber hinaus limitiert. Erinnerst du dich noch an den Film 'Lola rennt'? Dieser Film zeigt dreimal exakt dieselbe Sequenz von zwanzig Minuten, nur dass sich jedes Mal ein kleines Detail verändert, was dann jeweils zu einem völlig anderen Ausgang der Story führt. Zum Beispiel, während Lola bei der ersten Sequenz 'ungestört' die Treppe herabsteigt, stellt ihr bei der zweiten Sequenz jemand ein Bein, worauf sie ganz kurz stolpert. Nur schon diese kleine Zeitverzögerung zieht mehr und mehr weitere Konsequenzen nach sich, die zu zig neuen Möglichkeiten führen. Der Film beschreibt, was man landläufig auch als Schmetterlingseffekt bezeichnet. Er zeigt auf, wie komplex unsere Leben sind und wie schon kleinste Kalibrierungen in einer Kette grosse Veränderungen bewirken. Doch Gott kennt jedes einzelne Mini-Detail deines und meines Lebens. Er weiss, woher alles kommt und wohin alles führt. Gott hat die allumfassende Perspektive. In schwierigen Momenten fragen wir häufig nach dem Warum! Warum widerfährt uns Leid? Gott weiss warum und er weiss auch wozu! Er wird uns vielleicht nicht immer verraten warum (ok, er verrät uns meistens nicht warum!).


Hat Weisheit nicht auch damit zu tun, ihm ganz zu vertrauen, selbst wenn wir das Warum nicht verstehen?


Zudem dürfen wir wissen, dass Gott all unsere leidvollen Erfahrungen nicht völlig fremd sind. Wir haben keinen Gott, der alles aus der sicheren Distanz steuert. Er hat solche Erfahrungen gewissermassen selber durchlebt und kann uns darum so gut verstehen und mit uns mitfühlen:

Jesus ist ja nicht ein Hoherpriester, der uns in unserer Schwachheit nicht verstehen könnte. Vielmehr war er – genau wie wir – Versuchungen aller Art ausgesetzt, allerdings mit dem entscheidenden Unterschied, dass er ohne Sünde blieb. (Heb 4,15)

Wie genial, dass wir mit all unseren Herausforderung zu diesem Gott kommen dürfen, der uns kennt und durch und durch versteht! Dieser Gott gibt uns gerne, wenn wir ihn darum bitten. So lautet die Verheissung hier! Du kannst versichert sein, dass Jesus, der den weiten Weg auf diese Erde hinter sich gebracht und sein Leben unter Prüfungen für dich gelebt hat, dir gerne von seiner Weisheit gibt. 'Wird uns dann zusammen mit seinem Sohn nicht auch alles andere geschenkt werden?' (Röm 8,32b) Er gibt gern und macht keine Vorhaltungen. Er gibt wiederholt und ohne Unterlass. Du würdest deinen Nachbarn sicher um Hilfe bitten, wenn du etwas brauchst. Aber würdest du es immer wieder tun? Oder würdest du nach dem dritten Mal eher jemand anderen fragen, oder gar nicht mehr fragen, weil du ja niemanden ausnutzen möchtest? Bei Gott ist es so anders! Wenn ich mir überlege, wie häufig meine Söhne zu mir kommen und etwas von mir wollen und wie gerne ich bereit bin zu hören und zu helfen, dann kann ich mir ungefähr vorstellen, wie sich das bei meinem himmlischen Vater verhält.



Glauben wir, dass die göttliche Perspektive, die Jakobus uns hier aufzeigt, wirklich wahr ist und dass sie uns wirklich trägt, weil sie wahr ist?


Beten ist ein Schritt des Glaubens. Wenn wir beten, dann schauen wir weg von unseren Möglichkeiten auf Gott und seine unbegrenzten Möglichkeiten. Beten wir im Glauben und im Vertrauen darauf, dass Gott seine Verheissungen wirklich erfüllt? Denn wenn wir zweifelnd beten offenbaren wir, dass wir Gott in der Tiefe gar nicht wirklich vertrauen.


Es gibt es, das 'weltliche Stossgebet'. Wenn jemand mit einer schwachen Hoffnung und vielleicht in Verzweiflung betet, dass dieser Gott (wenn es ihn denn tatsächlich gibt) doch antworten möge. Gott hört auch diese Gebete. Doch die wahren Kinder Gottes beten so anders. Sie sind sich ganz sicher, dass ihr himmlischer Vater sie liebt, dass er sie hört und dass er ihnen in seinem Wort eine verlässliche Perspektive gibt. Also beten sie mit einer inneren Überzeugung, in der Gewissheit, dass Gott ihr Gebet beantworten wird.

Glauben heisst, ganz auf Gottes Versprechen zu vertrauen und gewiss zu sein zu bekommen, worum wir bitten. (Calvin)

Tönt das zu krass, zu selbstsicher, zu triumphalistisch? Im Gegenteil, meine ich. Wenn wir so beten, offenbart sich vor allem eines: unser Vertrauen in Gott und dass wir uns ganz von seinem Wort abhängig machen wollen. Jakobus rät uns nicht zuerst, dass wir Gott darum bitten sollen, dass er all unsere Schwierigkeiten aus dem Weg räumt. Natürlich dürfen wir Gott auch bitten, dass er Hilfe und Linderung, ja dass er Überwindung schenkt. Doch so beten auch die Heiden (sorry, wenn ich es so spitz formuliere)! Die Kinder Gottes beten beziehungsorientierter: Vater, hilf mir, dir gerade jetzt mehr zu vertrauen! Hilf mir, in deiner Weisheit zu gehen und in allem, auch in allem Schweren deinen Willen zu tun!



Was ist der Unterschied zwischen einer aufgepeitschten Meereswoge und einem dem Sturm ausgesetzten Baum? Beide kommen in Bewegung, werden vom Wind hin und her geschunkelt. Doch ist die Meereswoge nirgends verankert. Sie hat keinen festen Halt. Der Wind macht mit ihr, was er will. Der Baum dagegen steht fest verwurzelt da. Nichts kann ihn von der Stelle bewegen. Das ist ein Bild für jemand, der im Vertrauen und im Glauben betet. Er mag zwar ächzen und stöhnen, wenn er von den Stürmen des Lebens gebeugt wird. Doch im Innersten bleibt er fest. Er glaubt und vertraut und Gott hört seine Gebete. Ganz anders ergeht es demjenigen, der in seinem Innersten gespalten ist. Denn dieser wird durch schwierige Umstände zwar vielleicht zu einem Gebet gedrängt. Aber dieses Gebet wird im Lärm der grossen Wogen untergehen.


Vertrauen wir diesem Gott ganz und gerade dann, wenn es ausserordentlich schwierig wird! Und lasst uns im Glauben zu ihm beten, selbst wenn unser Gebet lauten sollte: 'Herr, hilf meinem Unglauben!' Dann werden auch wir zu solchen Bäumen werden, die im Sturm fest stehen bleiben, die Wurzeln tief im Boden verankert.


Jesus war so ein Baum, als er im Garten Gethsemane zum Vater betete: 'Herr, lass diesen Kelch an mir vorbeigehen. Aber nicht mein Wille, sondern dein Wille geschehe!' (siehe Lk 22,42) Jesus stand damals vor dem absolut heftigsten Sturm (oder er befand sich schon mittendrin), dem ein Mensch je ausgesetzt werden würde: Dem gewaltigen Sturm des göttlichen Zorns, den er über sich ergehen lassen sollte (vgl. Jeremia 25:15-17, Joh 18,11). Und in dieser Situation liess er sich komplett in die Hände seines Vaters fallen. Was ist das für ein Gott, der sich bis an diesen Tiefpunkt herabliess, um uns vor diesem grössten aller Stürme zu retten! Er wird auch uns befähigen, in unseren Stürmen fest zu stehen, im Vertrauen auf ihn.









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