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matt studer

Jakobusbrief - Auftakt



Jakobus, Diener Gottes und des Herrn Jesus Christus, an die zwölf Stämme, die in der Fremde leben. Euch allen sende ich meinen Gruß. (Jakobus 1,1)



Der Jakobusbrief ist so etwas wie ein Stiefkind in manchen Freikirchen. Selten habe ich eine Predigt basierend auf diesem Brief mitgeschnitten. Vielleicht liegt das daran, dass der Brief so anders daherkommt, als die uns eher geläufigen und beliebten Paulusbriefe? Jakobus spricht beispielsweise davon, dass ein Glaube ohne Werke nichts tauge (2,14-26). Wir sind uns gewohnt zu hören, dass wir nur fest glauben müssen, unsere 'guten Werke' aber nicht zu unserer Rechtfertigung beitragen. Ein Gegensatz also? Schon Luther meinte in seiner charakteristisch eloquenten Art über den Jakobusbrief:

Er hat denen wehren wollen, die sich auf den Glauben ohne Werke verließen und ist für diese Sache an Geist, Verstand und Worten zu schwach gewesen. Er zerreißt die Schrift und widersteht damit Paulus und aller Schrift, will's mit Gesetz Treiben ausrichten. Darum will ich ihn nicht in meiner Bibel in der Zahl der rechten Hauptbücher haben, will aber damit niemand wehren, dass er ihn stelle und hochhalte, wie es ihn gelüstet, denn es sind sonst viel guter Sprüche darinnen. (Vorrede zum Jakobus- und zum Judasbrief)

Also, in seiner Hauptmessage verwerflich, aber trotzdem ein paar gute Sprüche drin, die man wie Rosinen herauspicken kann? Ich persönlich glaube nicht, dass wir mit diesem Brief, oder überhaupt einem Buch der Bibel, so verfahren dürfen! Die ganze Schrift ist von Gott eingegeben und bringt uns auf den richtigen Weg, gemäss dem Willen Gottes (vgl. 2Tim 3,16). Der Jakobusbrief ist eine Schatzkammer in sich. Es lohnt sich hier zu schaufeln und zu schürfen. Genau das wollen wir in dieser Serie tun. Vers für Vers die kleineren und die grösseren Goldnuggets ausheben und uns die Taschen damit füllen.



Wer war denn dieser Jakobus? Mit grösster Wahrscheinlichkeit der leibliche Bruder von Jesus. Jakobus war eine prominente Figur in der ersten Kirche, ein Leiter mit Profil und Autorität (Apg 12,17, 15,13, 21,18). Paulus nannte ihn 'Bruder des Herrn' (Gal 1,19). Er selbst aber nannte sich 'Diener des Herrn' (Jak 1,1). Also eine demütige Leaderfigur? Demut scheint nicht eine angeborene Charakterstärke von Jakobus gewesen zu sein. Erinnern wir uns an eine frühere Begebenheit, als sich Jesus in einem Haus aufhielt, um die vielen Menschen, die zu ihm pilgerten zu lehren (Mk 3,20). Der folgende Vers berichtet uns, was dort geschah: 'Als seine Angehörigen davon hörten, machten sie sich auf den Weg, um ihn mit Gewalt zurückzuholen; denn sie sagten: Er ist von Sinnen.' (Mk 3,21). Was immer Jesu leibliche Familie (inklusive Jakobus) sonst noch von ihm hielten, Jesus hätte genug Grund gehabt sich hier ein lebenslängliches Trauma einzufangen! Von seiner Familie komplett missverstanden, musste er sich mit Klartext abgrenzen: 'Wer ist meine Mutter und wer sind meine Brüder?' Er gibt die Antwort gleich mit: 'Wer den Willen Gottes erfüllt, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter.' (Mk 3,33.35)


Irgendwann und irgendwo zwischen diesem Vorfall und post-Ostern muss Jakobus diese Lektion gelernt haben. Die Bibel gibt uns leider keine weiteren biografischen Einblicke in seinen inneren Wandel. Nur eben, dass er zuletzt ein 'wahrer (geistlicher) Bruder des Herrn' geworden war. Und wie wohltuend es ist, dass Jakobus später nicht mit seinem Blut prahlte: 'Jesus war mein Bruder! Wir haben zusammen Lego gebaut!' Nein, 'Diener des Herrn' - schlicht und einfach. Diese Tatsache sollten wir im Hinterkopf haben, wenn wir diesen Jakobus dann manchmal so bildgewaltig auf uns einreden hören. Er redete im Auftrag seines Herrn. Er war 'nur' ein Diener.



Der Jakobusbrief ist eben dies, ein Brief. Ein Brief an 'die zwölf Stämme, die in der Fremde leben.' Damit spielte Jakobus auf die historisch-traumatische Situation des Exils Israels in Babylon an. Das Volk Israel (die zwölf Stämme) wurden damals in die Gefangenschaft, in die Fremde nach Babylon-City geführt. Diese Erfahrungen gruben sich tief ins kollektive Bewusstsein ein. Und jetzt nennt Jakobus seine Adressaten (vielleicht vor allem Juden, die zum christlichen Glauben konvertiert waren) Exilanten. Wie soll man diese seltsame Attribuierung verstehen?


Christen, damals wie heute, sind noch nicht vollends zu Hause angekommen. Wir leben zwar auf dieser Welt, die einmal ganz unsere Heimat sein wird, wenn Gott sie erlösen und erneuern wird. Bis dahin sind wir im Pilgerstatus unterwegs, auf dem Weg nach Hause. Das Bild des Pilgers bildet den Backdrop für den Jakobusbrief. Als Christen leben wir im Exil (in diesem übertragenen Sinn) und damit noch nicht im Land wo Milch und Honig fliessen. Wir haben auf diesem Weg auch zu leiden. Wir werden geprüft. Wir wachsen in und durch die schwierigen Lebensumstände. Unser Glaube muss sich bewähren. Und mit dieser Gesinnung ist der Brief als Ganzes zu lesen.


Noch ein Wort über Gemeinschaft. Der Autor Jakobus schreibt 'an die zwölf Stämme', bildlich gesprochen also an die Gemeinschaft der Gläubigen, das Volk Gottes. Christsein hat immer auch mit unseren nächsten Glaubenspilgern zu tun, all jenen, die ebenfalls nach dem Willen Gottes trachtend unterwegs sind (Mk 3,35), unseren Brüdern und Schwestern im Glauben. Wenn wir Jakobus lesen merken wir, dass sich unser Christsein gerade auch im Zwischenmenschlichen auswirken muss. Gleichzeitig beschönigt er hier gar nichts. Er beschwört kein utopisches Gemeinschaftsideal herauf. Und doch, der Brief weckt Hoffnung, weil er ein Verlangen nach der Gnade Gottes schürt, die Gott gerade der christlichen Gemeinschaft in besonderem Mass schenken will!


Und schliesslich spricht Jakobus implizit und explizit über Christus, seinen Herrn. So ist es mit der ganzen Bibel, die in all ihren Geschichten und Gedichten, in all ihren Texten und zwischen den Zeilen letztlich vom Alpha und Omega handelt (Joh 5,39). Die Bibel will uns immer in eine Begegnung, ja, in die Gemeinschaft mit Gott selbst führen.










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