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matt studer

Die Gartenstadt - Gedanken zur Zukunft unseres Planeten

Aktualisiert: 8. Nov. 2021


Dieser Beitrag ist Mireille und Karl-Heinz Brunner gewidmet. Zwei Bauern, die tagtäglich treu ihr Land kultivieren und ihre Tiere versorgen, so dass wir immer wieder mal in den Genuss der Früchte ihrer harten und schönen Arbeit kommen dürfen.



Unser Planet wird zunehmend urbaner. Um 1950 lebten circa 30 Prozent aller Menschen in Städten. Prognosen zufolge werden es im Jahr 2050 global 70 Prozent sein (klick hier). Bereits heute zählt man 36 Megastädte, die weit mehr als 10 Millionen Menschen auf gedrängtem Raum fassen. Die Metropolregion Tokio beispielsweise beherbergt über 36 Millionen Menschen! Wird unsere Welt am Schluss eine einzige, grosse Megalopolis sein? Was geschieht dann mit unserer Natur? Wird sie vollständig zu einem Zulieferer für den gigantischen und unersättlichen Konsum der Urbs degradiert?


Was ist eigentlich Gottes Plan mit dieser Erde, die er kreiert hat? Dieser Beitrag geht einer eher selten gefolgten Spur nach. Diese führt über den Garten Eden, den israelischen Tempel Gottes im Alten Testament, bis zum neuen Jerusalem, das aus dem Himmel herabkommt. Es ist eine Spur, die am Anfang der Bibel gelegt wurde und sich bis ans Ende der Bibel durchzieht - eine Spur, die von Schöpfung bis Neuschöpfung die ganze Menschheitsgeschichte umfasst. Ein seltsamer Link, magst du vielleicht denken. Ich kann dir aber versprechen, dass die biblische Story erstaunliche Zusammenhänge und gloriose Entwicklungen beinhaltet, wenn man denn etwas genauer hinschaut.


Anfangsszene: Garten Eden, kurz nach der Geburtsstunde dieser Welt. Ein arboreales Paradies, in dem sich die ersten Szenen der Bibel abspielen. Gott stellt den Menschen in diesen Garten und gibt ihm den Auftrag, ihn zu kultivieren, zu pflegen und zu bewahren (Gen 2,15). Warum der Fokus auf diesem Garten? Rundherum gab es ja einfach pure, wilde und ungezähmte Natur. Doch Gottes Plan mit dieser Welt startete mit einem Garten. Ein Garten, der notabene von ihm selbst angelegt wurde (Gen 2,8). Gott selbst war, so könnte man sagen, der erste Gärtner (und implizit der erste Bauer) dieser Welt. Das allein spricht an sich schon für den Berufsstand der Bauern und Gärtner (und vielen anderen Berufen), die das Rohmaterial der Erde nehmen und damit etwas anstellen. Unsere manchmal etwas romantisierte Vorstellung von einer unberührten Natur als Idealzustand der Schöpfung entspricht nicht Gottes Idee, dass der Mensch nach seinem Vorbild gestalten und kultivieren soll (contra Harari's These in 'Eine kleine Geschichte der Menschheit'?). Dies aber eigentlich nur so als Randbemerkung - zurück zur Ausgangsfrage und zum Anfang der Bibel. Die biblische Story zoomt deshalb zu Beginn auf den Garten Eden, weil Gott dort in einer speziellen Art und Weise präsent sein wollte. Er 'spazierte' im Garten (Gen 3,8). Er suchte die Begegnung mit dem Menschen. Er kommunizierte mit ihm und gab ihm spezifische Anweisungen für das gemeinsame Miteinander (Gen 2,16-17). Klar, Gott ist auch auf den unwegsamsten Berggipfeln und tiefsten Meerestiefen zu Hause und sowieso in der ganzen Schöpfung aktiv (Psalm 104!). Doch gerade in diesem Garten wollte er dem Menschen direkt und persönlich begegnen. Eden war in dem Sinne wie ein Tempel, in dem Gottes Gegenwart auf eine spezielle und unmittelbare Art für den Menschen erlebbar wurde. Und gerade diese Vorstellung von Eden als archetypischer Tempel, als Model für alle späteren Tempel, bietet einen faszinierenden Einblick in Gottes Plan mit der ganzen Welt, die eines Tages randvoll mit Gottes herrlicher Gegenwart sein wird (Habakuk 2,14; Jesaja 6,3). Schon mal vorwegnehmen möchte ich die Tatsache, dass der ganze Natur-und-Garten-Gedanke nicht einfach progressiv durch sakrale Bauwerke abgelöst wird, sondern dass umgekehrt auch die späteren Tempel gartenähnliche Symbolik und Gestalt aufweisen. Nicht nur der Garten ist wie ein Tempel, auch ist der Tempel wie ein Garten. Wie muss man sich das vorstellen?


Szenenwechsel: Wir befinden uns jetzt im israelischen Tempel, gebaut von König Salomon (950 v. Chr.). Gemessen mit anderen Bauwerken seiner Zeit, wie den ägyptischen Pyramiden oder den hängenden Gärten der Semiramis, ragte dieses Bauwerk nicht sonderlich heraus. Aber Gott hat noch nie einen auf Groß gemacht. Bis zum Tempel 'hauste' er sogar nomadisch in einem Zelt (siehe die Stiftshütte im Buch Exodus). Was dem hebräisch geübten Leser auffällt ist, dass Gottes präsent Sein im Tempel auf die gleiche Art und Weise (mit demselben Wortstamm) beschrieben wird, wie im Garten Eden: 'Ich gehe in eurer Mitte' (Lev 26,12; Deut 23,15). So wie Gott damals im Garten 'spazierte', so 'spazierte' er jetzt im Tempel! Zog Gott also ein Dach über dem Kopf dem freien Himmel im Garten vor? Ja, wir sprechen hier von einem Gebäude - aber es ist interessant, wie dieses Gebäude ausgestaltet wurde. Betrachten wir mal den Leuchter, der im Heiligtum stand. Der ganze Leuchter sollte einem Baum ähneln oder einen Baum repräsentieren.

Der Leuchter, sein Gestell, sein Schaft, seine Kelche, Knospen und Blüten sollen aus einem Stück getrieben sein. Von seinen Seiten sollen sechs Arme ausgehen, drei Leuchterarme auf der einen Seite und drei auf der anderen Seite. Der erste Arm soll drei mandelblütenförmige Kelche mit je einer Knospe und einer Blüte aufweisen und der zweite Arm soll drei mandelblütenförmige Kelche mit je einer Knospe und einer Blüte aufweisen; so alle sechs Arme, die von dem Leuchter ausgehen. (Exodus 25,32).

Vielleicht sollte dieser Leuchter an den Baum des Lebens im Paradies erinnern? Auf jeden Fall kommt dabei Gartenstimmung auf. Weitere Besonderheiten des Tempels bestärken dies: 'Innen war das ganze Haus lauter Zedernholz mit geschnitzten Früchten und Blumenwerk, sodass man keinen Stein sah.' (1. Könige 6,18) 'An allen Wänden des Hauses ließ er ringsum Schnitzwerk machen von Cherubim, Palmen und Blumenwerk, innen und außen.' (1. Könige 6,29) 'Und oben auf den Säulen war Lilienschmuck.' (1. Könige, 7,22a) Es verwundert daher nicht, dass spätere Schreiber des Alten Testaments den salomonischen Tempel mit einem Garten identifizierten. 'Er hat sein eigenes Zelt zerwühlt wie einen Garten und seine Wohnung vernichtet.' (Klagelieder 2,6) Oder dass die Kinder Gottes als Pflanzungen im Tempel bezeichnet werden: 'Die gepflanzt sind im Hause des HERRN, werden in den Vorhöfen unseres Gottes grünen.' (Psalm 92,14) Der salomonische Tempel war in seiner ganzen Machart ein Garten-Tempel.


Noch ein paar Gedanken zu Adam und Eva im Garten (= Tempel). Wie wir gesehen haben, bekam der Mensch die Aufgabe, den Garten zu kultivieren (Gen 2,15: ihn zu bebauen und zu hüten). Dies beschreibt in erster Linie natürlich den agrarwirtschaftlichen Auftrag, die Fruchtbäume zu pflegen, Gemüse zu pflanzen, usw. - sowie den schöpferischen Kultur-auftrag im Allgemeinen, das Rohmaterial der Erde weiterzuverarbeiten und damit zu schaffen. Spannend ist, dass diese beiden Worte - bebauen und hüten - später oftmals im Zusammenhang mit dem Dienst der Priester im Tempel vorkommen (Numeri 3,7-8; 8,25-26; 18,5-6 als Auswahl). Ich denke, es ist nicht zu weit hergeholt, Adam's Aufgabe im Garten als priesterliche Aufgabe zu verstehen. Sowie die späteren Priester im Tempel ihren Dienst taten, so sollte Adam als Priester im Garten-Tempel seinem Gott dienen. Teil dieser Aufgabe war, nebst pflanzen und ernten, das Gartenheiligtum zu hüten und allem Unreinen den Zutritt zu verwehren (vergleiche dies mit der Aufgabe der Priester im salomonischen Tempel: 2. Chr. 23,19; Num 18,4). Wie wir alle schmerzlich wissen, kamen Adam und Eva dieser priesterlichen Aufgabe nicht befriedigend nach. Sie liessen die Schlange hineinkommen und gewähren! Als Adam und Eva darauf aus dem Garten und aus Gottes Gegenwart weggeschickt wurden, stellte Gott 'östlich des Gartens von Eden die Kerubim auf, damit sie den Weg zum Baum des Lebens bewachten.' (Gen 3,24)


Lasst uns mal die Fäden zusammenziehen und den Sack etwas fester zubinden. Gott will dem Menschen begegnen und dazu schafft er spezielle Ort der Begegnung. Am Anfang war es der Garten-Tempel, das sogenannte Paradies Eden, in dem Gott umherging und mit dem Menschen unmittelbare Gemeinschaft pflegte. Nach dem Verweis aus dem Garten wählte Gott ein Zelt und später den Tempel als Begegnungsort - mit neuen Regulationen und Beschränkungen. Es war nun nicht mehr so direkt und unkompliziert in Gottes Gegenwart zu gelangen. Opfer, Reinigungsvorschriften und Prozeduren mussten eingehalten werden. Trotzdem, der salomonische Tempel erinnerte in seiner Ausstattung und Aufmachung an vielen Stellen immer noch an den Garten Eden. Garten und Tempel standen in enger Verbindung zueinander.


Was bedeutet das alles? Was beabsichtigte Gott wohl damit? Was war sein Ziel? Der Kultivierungsauftrag, den Gott Adam und Eva ursprünglich gab, war nicht lokal, sondern weltumspannend angedacht. Es sollte eigentlich nie bei diesem lokalen Garten bleiben. Vielmehr sollte der Garten global expandiert werden (was nicht unbedingt heisst, dass ich ein Freund der Globalisierung im heutigen Sinn wäre - ich bevorzuge nämlich die lokalen Produkte. Aber hier geht's ja jetzt um etwas anderes als um den globalen Kapitalismus):

Seid fruchtbar und vermehrt euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf dem Land regen. (Gen 1,28)

Der Theologe Greg Beale meint dazu: "Weil Adam und Eva sich die ganze Erde untertan und über sie herrschen sollten, ist es plausibel, dass ihr Auftrag darin bestand, die geo-grafischen Grenzen des Garten Edens auszudehnen, bis Eden die ganze Welt umfasste. Sie sollten das kleine, bewohnbare Fleckchen des Gartens ausweiten, indem sie die äusseren, chaotischen Regionen in bewohnbares Gebiet transformierten." (Lies dazu sein stimulierendes Buch 'The Temple and the Church's Mission') Was heisst das anderes, als dass letztendlich die ganze Welt nach Gottes Plan 'Tempel-Gebiet' sein sollte - heiliges Terrain, auf dem Gott den Menschen begegnen kann? Und wenn wir mit den biblischen Propheten ans Ende der biblischen Story äugen, sehen wir genau diese Vision verwirklicht (u.a. eben auch Habakuk 2,14 und Jesaja 6,3).


Die Schlussszene der Bibel:

Da hörte ich eine laute Stimme vom Thron her rufen: Seht, die Wohnung Gottes unter den Menschen! Er wird in ihrer Mitte wohnen, und sie werden sein Volk sein; und er, Gott, wird bei ihnen sein. (21,3)

Johannes sieht einen neuen Himmel und eine neue Erde (21,1) - eine heilige Stadt, ein neues Jerusalem aus dem Himmel herabkommen (21,2). Er bezeichnet diese Stadt als die Wohnung Gottes unter den Menschen (21,3). Das Faszinierende dabei lesen wir in Vers 22: es gab keinen Tempel in dieser Stadt. Denn Gott selbst ist ihr Tempel! Gottes Gegenwart wird die ganze Stadt erfüllen - es braucht keinen definierten, hermetisch abgeriegelten Ort mehr dafür. Es braucht auch keine Reinheitsvorschriften und Regulationen mehr, denn es wird nichts Unreines mehr in diese Stadt hineinkommen (21,17). Wir sehen hier die Idee des Tempels verwirklicht: Gott wohnt unter den Menschen - unmittelbar und persönlich. Und seine Menschen dienen ihm und beten ihn an. Das eigentlich wenig Überraschende dabei: diese Stadt weist tempel-gartenähnliche Züge auf. Die architektonische Bauweise und die Dimension der Stadt (beschrieben in Kap 21,16-21) entsprechen der Vision, die Hesekiel vom neuen, endzeitlichen Tempel hatte (siehe Hesekiel 40-48). Die kostbaren Grundsteine der Stadt (21,19-20) spielen auf Salomos Bauwerke an (siehe 1 Könige 7,9-10). Und diese Architektur geht perfekt einher mit der Natur:

Der Engel zeigte mir auch einen Strom, der wie Kristall glänzte; es war der Strom mit dem Wasser des Lebens. Er entspringt bei dem Thron Gottes und des Lammes und fließt die breite Straße entlang, ´die mitten durch die Stadt führt`. An beiden Ufern des Stroms wächst der Baum des Lebens. Zwölfmal ´im Jahr` trägt er Früchte, sodass er jeden Monat abgeerntet werden kann, und seine Blätter bringen den Völkern Heilung. (22,1-2)

Auch diese Beschreibung erinnert an Hesekiel's Vision des Tempels, aus dessen Schwelle ein Fluss hervortrat (Hes 47). Noch weiter zurückgehend, ruft dieses endzeitliche Venedig Reminiszenzen an den ersten Garten wach, aus dem ebenso ein Fluss entsprang (Gen 2,10). Das neue Jerusalem ist also das neue Eden, die Garten-Tempel-Stadt, und das letztendliche Ziel Gottes mit dieser Welt. Gott wird unter den Menschen wohnen, in einer Stadt, die zugleich Garten ist - einer Komposition von Architektur und Natur. Wir sehen hier die Spannbreite und Entwicklung der ganzen biblischen Story offenbart - vom paradiesischen Garten bis zur zukünftigen Garten-Stadt.


Ein möglichst unspekulatives Begleitwort zur Schlussszene:

Wissen wir jetzt, wie unsere Zukunft in dieser Garten-Tempel-Stadt aussehen wird? Geht es um Urban-Farming oder Bienenkästen auf Hochhäusern? Vielleicht. Wir können es aber eigentlich nicht wissen! Das Zentrale, das die Bibel uns hier mitteilen will ist, dass Gottes Gegenwart die ganze Stadt (= die ganze Welt) erfüllen wird. Was ursprünglich mit dem Garten Eden anfing, wird am Ende globale Züge aufweisen: Gottes herrliche Gegenwart überall! Und das bedeutet doch auch, dass es nichts Böses, keine Ungerechtigkeit, keine Zerstörung, keinen Zerfall, keine Krankheit und keinen Tod mehr geben wird (Offenbarung 21,3-4). Was kann es Besseres geben?


Zudem aber glaube ich, einige vorsichtige Schlüsse in Bezug auf meine Bauernfreunde ziehen zu können. Es gibt eine gloriose Zukunft für unsere Welt, inklusive unserer Natur! Gott hat diese erste Welt geschaffen - er wird sie neu schaffen, aber nicht so, dass nur noch Betonschluchten, Maschinen und Flugobjekte dominieren werden. Ich glaube, wir können eine absolut geniale Mischung von urbanem Urwald, grüner Stadt und Berg-Feld-Wald-Wiesen-Wasser-Landschaften erwarten, wie auch immer dies dann konkret ausgestaltet sein wird. Und weiter, das Land zu kultivieren und Kultur zu schaffen, ist und bleibt Gottes Auftrag an den Menschen. Davon gehe ich aus. Schliesslich landen wir am Ende nicht wieder am Anfang. Wir enden nicht bei Tarzan und Jane im Urwald, bei Beeren und Wurzeln sammeln. Ja, wir sehen einen wild-kultivierten Garten (ich hoffe mehr auf japanischen Garten als englischen Rasen). Wir sehen aber auch eine Stadt, gefüllt mit Menschen. Und wir sehen eine Kombination von beidem. Und die Menschen werden das Beste ihrer Kultur in diese Stadt bringen (Offenbarung 21,24). Das, was ihr Bauern heute macht, ist ein wichtiger Vorgeschmack auf das, was noch kommt. Ihr werdet nicht arbeitslos sein in diesem Stadt-Garten, dieser Garten-Stadt! Ihr werdet säen und ernten: vielleicht Unterwasser-Tomaten oder Äpfel von Bäumen, die auf Hochplateaus auf Hochhäusern wachsen, die mit fliegenden Traktoren geerntet werden (okay, das war jetzt definitiv spekulativ!). Aber vielleicht (ganz bestimmt!) wird eure Arbeit dann nicht mehr so mühevoll sein wie sie es heute zuweilen ist. Denn ihr werdet in der Gegenwart Gottes arbeiten - und diese Gegenwart wird alles transformieren!









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